BGH: Schiedsvereinbarungen zwischen Sportlern und Verbänden unter ausschließlicher Zuständigkeit des CAS wirksam – Schadensersatzklage von Claudia Pechstein unzulässig

BGH: Schiedsvereinbarungen zwischen Sportlern und Verbänden unter ausschließlicher Zuständigkeit des CAS wirksam – Schadensersatzklage von Claudia Pechstein unzulässig


Bundesgerichtshof (BGH)

Urteil vom 7. Juni 2016 – KZR 6/15

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom heutigen Tage über eine der spannendsten Rechstfragen des modernen Sports entschieden.

Gegenstand des Verfahrens war die rechtliche (Vor-)Frage, ob Sportler, welche sich Schiedsvereinbarungen unterwerfen, die den ordentlich Rechtsweg unter ausschließlicher Zuständigkeit von Schiedsgerichten vorschreiben, Schadensersatzklagen vor deutschen Gerichten einreichen können.

Diese rechtliche (Vor-) Frage hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshof nunmehr klar mit NEIN! beantwortet.

Die Klägerin, Claudia Pechstein, eine international erfolgreiche Eisschnellläuferin, verlangte von der beklagten International Skating Union (ISU), dem internationalen Fachverband für Eisschnelllauf, Schadensersatz, weil sie – nach ihrer Auffassung zu Unrecht – zwei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war.

Die Beklagte ist monopolistisch nach dem „Ein-Platz-Prinzip“ organisiert, d.h. es gibt – wie auch auf nationaler Ebene – nur einen einzigen internationalen Verband, der Wettkämpfe im Eisschnelllauf auf internationaler Ebene veranstaltet. Vor der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft in Hamar (Norwegen) im Februar 2009 unterzeichnete die Klägerin eine von der Beklagten vorformulierte Wettkampfmeldung. Ohne Unterzeichnung dieser Meldung wäre sie zum Wettkampf nicht zugelassen worden. In der Wettkampfmeldung verpflichtete sie sich unter anderem zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten. Außerdem enthielt die Wettkampfmeldung die Vereinbarung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens vor dem CAS (Court of Arbitration for Sport) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs. Bei der Weltmeisterschaft in Hamar wurden der Klägerin Blutproben entnommen, die erhöhte Retikulozytenwerte aufwiesen. Die Beklagte sah dies als Beleg für Doping an. Ihre Disziplinarkommission verhängte gegen die Klägerin unter anderem eine zweijährige Sperre. Die hiergegen eingelegte Berufung zum CAS war erfolglos. Auch eine Beschwerde und eine Revision zum schweizerischen Bundesgericht blieben in der Sache ohne Erfolg.

Die Klägerin hatte daraufhin Klage zum Landgericht München I erhoben. Sie verlangte Ersatz ihres materiellen Schadens und ein Schmerzensgeld. Das Landgericht hat die Klage daraufhin abgewiesen.

Das Oberlandesgericht München hat dagegen durch Teilurteil festgestellt, dass die Schiedsvereinbarung unwirksam und die Klage zulässig sei. Insbesondere habe die ISU durch den Zwang, entweder die (alleinige) Zuständigkeit des CAS als Schiedsgericht zu vereinbaren oder an der Weltmeisterschaft nicht teilzunehmen, ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt. Die Schiedsrichterliste des CAS, aus der die Parteien jeweils einen Schiedsrichter auswählen müssen, sei ferner nicht unparteiisch aufgestellt worden, weil die Sportverbände und olympischen Komitees bei der Erstellung der Liste ein deutliches Übergewicht hätten.

Hiergegen hatte die ISU Revision vor dem Bundesgerichtshof eingelegt.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs ist der Argumentation der Klägerin und des OLG München nicht gefolgt. Er hat entschieden, dass die Klage unzulässig ist, weil ihr die Einrede der Schiedsvereinbarung entgegensteht.

Die Beklagte ist zwar bei der Veranstaltung von internationalen Eisschnelllaufwettbewerben marktbeherrschend. Nach einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen kann ein missbräuchliches Verhalten der Beklagten aber nicht festgestellt werden. Der CAS ist ein „echtes“ Schiedsgericht im Sinne der ZPO. Weder der CAS selbst noch das konkrete Schiedsgericht sind wie ein Verbands- oder Vereinsgericht in eine Organisation eingegliedert. Dem steht nicht entgegen, dass die Schiedsrichter aus einer geschlossenen Liste ausgewählt werden müssen und dass diese Liste von einem Gremium erstellt wird, dem überwiegend Vertreter der internationalen Sportverbände und der Olympischen Komitees angehören. Diese Regelung begründet kein strukturelles Ungleichgewicht bei der Besetzung des konkreten Schiedsgerichts. Denn die Verbände und die Athleten stehen sich nicht als von grundsätzlich gegensätzlichen Interessen geleitete Lager gegenüber. Vielmehr entspricht die weltweite Bekämpfung des Dopings sowohl den Interessen der Verbände als auch denen der Athleten.

Die mit einer einheitlichen internationalen Sportsgerichtsbarkeit verbundenen Vorteile, wie etwa einheitliche Maßstäbe und die Schnelligkeit der Entscheidung, gelten nicht nur für die Verbände, sondern auch für die Sportler. Ein dennoch verbleibendes Übergewicht der Verbände wird ausgeglichen durch die Verfahrensordnung des CAS, die eine hinreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der Schiedsrichter gewährleistet. Der konkret an dem Verfahren vor dem CAS beteiligte Sportverband – hier die ISU – und der Athlet müssen je einen Schiedsrichter aus der mehr als 200 Personen umfassenden Liste auswählen. Diese Schiedsrichter bestimmen gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts. Ist ein Schiedsrichter befangen, kann er abgelehnt werden. Die unterliegende Partei hat die Möglichkeit, bei dem zuständigen schweizerischen Bundesgericht um staatlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Das schweizerische Bundesgericht kann den Schiedsspruch des CAS in bestimmtem Umfang überprüfen und gegebenenfalls aufheben.

Die Klägerin hat die Schiedsvereinbarung freiwillig unterzeichnet. Dass sie dabei fremdbestimmt gehandelt hat, da sie andernfalls nicht hätte antreten können, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Denn auch insoweit ergibt die Abwägung der beiderseitigen Interessen am Maßstab des § 19 GWB eine sachliche Rechtfertigung der Verwendung der Schiedsklausel, die nicht gegen gesetzliche Wertentscheidungen verstößt. Dem Justizgewährungsanspruch der Klägerin sowie ihrem Recht auf freie Berufsausübung steht die Verbandsautonomie der Beklagten gegenüber. Schließlich ist der Klägerin im Anschluss an das Schiedsgerichtsverfahren Zugang zu den nach internationalem Recht zuständigen schweizerischen Gerichten möglich. Ein Anspruch gerade auf Zugang zu den deutschen Gerichten besteht danach nicht.

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs erscheint auf den ersten Blick sehr ergebnisorientiert. Schließlich stand für den ISU sowie für sämtliche nationalen und internationalen Sportverbände (z. B. auch die FIFA oder die UEFA) und die zwischen ihnen und den jeweiligen Sportlern geschlossenen Schiedsvereinbarungen viel „auf dem Spiel“.  Auf der einen Seite ist dem Bundesgerichtshof zuzustimmen, dass mit dem Abschluss von Schiedsvereinbarungen Vorteile verbunden sind, welche es u. a. ermöglichen, das Gleichheitsprinzip im Sport zu gewährleisten, das u. a. gleiche Wettkampfbedingungen für alle Teilnehmer fordert. Auf der anderen Seite bedeutet Schiedsgerichtsbarkeit aber auch Streitentscheidung durch einen unabhängigigen und unparteilichen Dritten.  Sofern im Rahmen der von den Parteien auszuwählenden Schiedsrichter jedoch eine Partei ein strukturelles Übergewicht hat, bestehen an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des gewählten Schiedsgerichts erhebliche Zweifel. Anders als es der Bundesgerichtshof vermuten lässt, wird das Übergewicht der Verbände durch die Vorschriften über die Zusammensetzung des CAS uns das Verfahren vor dem CAS auch gerade nicht ausgeglichen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Klägerin nun entsprechende Rechtsmittel vor dem Bundesverfassungsgericht oder ggfls. sogar vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einlegen wird. Der klägerische Anwalt hat diese jedenfalls bereits angekündigt.

Kategorie: Sport & Recht, 07. Juni 2016



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