Kurze Kündigungsfrist in der Probezeit nur bei eindeutiger Vertragsgestaltung

Kurze Kündigungsfrist in der Probezeit nur bei eindeutiger Vertragsgestaltung


Bundesarbeitsgericht (BAG)
Urteil vom 23.03.2017 – 6 AZR 705/15

Das BAG hat entschieden, dass die Bestimmungen des Arbeitgebers zu Kündigungsfristen in der Probezeit in einem vorformulierten Arbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingungen so auszulegen sind, wie sie ein durchschnittlicher, regelmäßig nicht rechtskundiger Arbeitnehmer versteht.

Sehe der Arbeitsvertrag eine Probezeit von längstens sechs Monaten vor, könne das Arbeitsverhältnis gemäß § 622 Abs. 3 BGB ohne weitere Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Sei jedoch in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag in einer weiteren Klausel eine längere Kündigungsfrist festgelegt, ohne unmissverständlich deutlich zu machen, dass diese längere Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten solle, sei dies vom Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon während der Probezeit nur mit der vereinbarten längeren Frist kündigen könne, so das BAG.

Der Kläger war ab April 2014 bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag, den die Beklagte vorformuliert hatte, war in § 1 pauschal bestimmt, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach einem Manteltarifvertrag richten; dieser sah während der Probezeit besondere Kündigungsfristen vor. In § 3 des Arbeitsvertrags war unter der Überschrift „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ vorgesehen, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten. In § 8 des Vertrags, der mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ überschrieben war, war ohne Bezugnahme auf § 1 oder § 3 des Vertrags festgelegt, dass eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende gelte. Am 05.09.2014 erhielt der Kläger eine Kündigung zum 20.09.2014. Er begehrt die Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe erst mit Ablauf der in § 8 des Arbeitsvertrags vereinbarten Frist und damit zum 31.10.2014 geendet. Aus dem Vertrag ergebe sich nicht, dass innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses eine kürzere Kündigungsfrist gelten solle.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte auf die Berufung des Klägers das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Nach Auffassung des BAG sind die Bestimmungen des von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrags als Allgemeine Geschäftsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher, regelmäßig nicht rechtskundiger Arbeitnehmer versteht. Aus Sicht eines solchen Arbeitnehmers lasse eine Vertragsgestaltung wie die im Arbeitsvertrag der Parteien nicht erkennen, dass dem Verweis auf den Manteltarifvertrag und der Vereinbarung einer Probezeit eine Bedeutung für Kündigungsfristen zukomme. Nach Wortlaut und Systematik des Vertrags sei vielmehr allein die Bestimmung einer sechswöchigen Kündigungsfrist maßgeblich. Diese Frist gelte auch für Kündigungen in der vereinbarten Probezeit.

Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 23.03.2017

Kategorie: Arbeitsrecht, 27. März 2017



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