Betriebsbedingte Änderungskündigung: Home-Office ist kein „milderes Mittel“

Betriebsbedingte Änderungskündigung: Home-Office ist kein „milderes Mittel“


Arbeitsgericht (ArbG) Köln
Urteil vom 20.05.2021 – 8 Ca 7667/20

Das Arbeitsgericht Köln hat entschieden: Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten bei einer Änderungskündigung wegen Betriebsverlagerung eine Tätigkeit im Homeoffice oder Mobile Office anbieten zu müssen, besteht grundsätzlich nicht.

Das verklagte Unternehmen vertreibt verschiedene Produkte im Bereich Reinigung, Folien und Aluminiumverpackungsmittel. Die Klägerin war bei dem Unternehmen als Leiterin der Finanzbuchhaltung beschäftigt.

Die Gesellschafter sowie die Geschäftsführer der Beklagten beschlossen unter dem 20.10.2020 die vollständige Verlagerung des (einzigen) Betriebs der Beklagten und die Fortführung des Betriebs an einem neuen Standort.

Der neue Betriebssitz liegt ca. 150 Kilometer und ca. 1,5 Fahrtstunden (einfache Strecke) mit dem Auto entfernt vom bisherigen Betriebssitz. 

Mit Kündigungsschreiben vom 05.11.2020 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.07.2021. Gleichzeitig bot sie der Klägerin an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.08.2021 zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Ändern sollte sich nur die Vertragsbedingung, nach der der Arbeitsort ab dem 01.08.2021 ein anderer sei.

Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung fristgemäß an. Zugleich erhob sie Änderungsschutzklage. Die Klägerin meint, die Änderungskündigung sei unverhältnismäßig. Als milderes Mittel hätte die Beklagte nach Ansicht der Klägerin dieser ein Änderungsangebot unterbreiten müssen, das lediglich teilweise eine Tätigkeit am neuen Betriebsstandort und auch eine teilweise Tätigkeitsmöglichkeit im Homeoffice oder Mobile Office vorsieht.

Das Gericht wies die Klage ab. Das Änderungsangebot war nach Ansicht des Arbeitsgerichts Köln nicht unverhältnismäßig. 

Die Entscheidung des Arbeitgebers zu einer organisatorischen Maßnahme ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.

Hiervon ausgehend war die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt. Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam. Die Beklagte war nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, der Klägerin bereits mit der Änderungskündigung anzubieten, ihre Arbeitsleistung teilweise auch im Homeoffice oder Mobile Office erbringen zu können. Nach § 106 S. 1 der Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber unter anderem den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit nicht der Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Ein Anspruch eines Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung im Homeoffice oder im Wege mobiler Arbeit zu erbringen, besteht nicht. Ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice wurde selbst für die Sondersituation des Corona-Lockdowns auch nicht zeitlich befristet geschaffen.

Würde man dem Argumentationsansatz der Klägerin folgen, würde man hierdurch jedoch im Rahmen einer Änderungskündigung einen „Anspruch auf Homeoffice durch die Hintertür“ schaffen. Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der bisher keinen Anspruch auf Homeoffice bzw. Mobile Office hat, sondern einen festen zugewiesenen Arbeitsort, im Rahmen einer Änderungskündigung nunmehr unter Verhältnismäßigkeitsgründen bei einer Änderungskündigung im Zusammenhang mit einer Betriebsverlagerung einen Homeoffice-Arbeitsplatz bzw. mobiles Arbeiten anzubieten hätte, würde der Arbeitnehmer durch die Änderungskündigung letztlich besser gestellt als zuvor, als er einen durchsetzbaren Anspruch auf Homeoffice oder Mobiles Arbeiten ja gerade noch nicht hatte.

Eine derartige Verbesserung des arbeitsvertraglichen Status ist nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen zur Änderungskündigung. Wenn ein Arbeitgeber nicht bereits aus einem sonstigen Rechtsgrund zur Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verpflichtet ist, kann eine derartige Verpflichtung zur Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes jedenfalls dann nicht über die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen einer Änderungskündigung konstituiert werden, wenn die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers darauf gerichtet ist, die Tätigkeit in Präsenz im Betrieb und nicht im Homeoffice oder Mobile Office zu erbringen.

Da ein Arbeitnehmer aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Wohnung (Art. 13 Grundgesetz) nicht zu einer Homeoffice-Tätigkeit gezwungen werden kann (z. B. LAG Berlin-Brandenburg 14.11.2018, 17 Sa 562/18, Rn. 23), kann eine verpflichtende Tätigkeit im Homeoffice schon im Ausgangspunkt kein geeigneter Gegenstand eines Änderungsangebotes sein.

Kategorie: Arbeitsrecht, 13. Juli 2021



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