BGH: Anfechtungsbefugnis eines Gesellschafters nach Einziehung des Geschäftsanteils und Abberufung als Geschäftsführer

BGH: Anfechtungsbefugnis eines Gesellschafters nach Einziehung des Geschäftsanteils und Abberufung als Geschäftsführer


Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18

Der BGH hat entschieden, dass die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses durch einen im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils eingetragenen Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entgegensteht. Ist der Kläger nicht als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste eingetragen, fehlt ihm die Klagebefugnis sowie die materielle Berechtigung zur Geltendmachung von Klageanträgen, die auf positive Beschlussfeststellung gerichtet sind.

Die Anfechtung eines Beschlusses einer Gesellschafterversammlung einer GmbH kann analog § 244 Satz 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Gesellschafterversammlung den anfechtbaren Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt und dieser Beschluss nicht fristgerecht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger gründete mit zwei weiteren Gesellschaftern die beklagte GmbH. Die drei Gründungsgesellschafter waren Geschäftsführer der Beklagten. Im März 2007 befreiten die weiteren Gesellschafter den Kläger u. a. für seine Einzelfirma von seinem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot. Im Juli 2014 wurde dem Kläger vorgeworfen, er betreibe unerlaubte Konkurrenztätigkeiten. Die weiteren Gesellschafter forderten den Kläger erfolgreich auf, die Räume der Beklagten zu verlassen. Daraufhin fanden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 vermehrt vereinzelte Gesellschafterversammlungen der Beklagten statt, in denen die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers, dessen Abberufung als Geschäftsführer, die fristlose Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrages und die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Kläger beschlossen wurden. Im Oktober 2014 erstellte die Beklagte eine Gesellschafterliste, in der die Namen der drei Gründungsgesellschafter sowie der jeweils zugeordnete Geschäftsanteil durchgestrichen waren. In einer neuen Liste, die im August 2015 in den Registerordner eingestellt wurde, waren lediglich die zwei weiteren Gesellschafter mit jeweils entsprechenden Geschäftsanteilen aufgelistet. Auf einer Gesellschafterversammlung im März 2016 wurden Beschlussvorschläge des Klägers, wonach seine beiden Mitgesellschafter als Geschäftsführer abberufen und deren Geschäftsanteile eingezogen werden sollten, abgelehnt.

Der Kläger hat gegen die ihm nachteiligen Beschlussfassungen eine Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage erhoben. Weiter erhob der Kläger wegen der Ablehnung seiner Beschlussvorschläge zur Gesellschafterversammlung von März 2016 eine positive Beschlussfeststellungsklage. Die Parteien legten gegen die teilweise erfolgreichen Klagen Berufung ein. Die Berufung des Klägers war überwiegend erfolgreich. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.

Der BGH entschied auf die Revision der Beklagten hin, dass diese erfolgreich sei, soweit nicht die Anfechtung der Beschlüsse über die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers betroffen sei. Zur Erhebung der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage sei grundsätzlich nur der in der Gesellschafterliste eingetragene Inhaber eines Geschäftsanteils befugt. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entfalte eine negative Legitimationswirkung zu Lasten des nach der Einziehung seines Geschäftsanteils nicht mehr in die Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafters. Der Gesellschafter könne ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer ihn nicht mehr aufführenden Gesellschafterliste zum Handelsregister seine mitgliedschaftlichen Rechte nicht mehr ausüben. Die Anfechtungsbefugnis sei ein aus der Mitgliedschaft unmittelbar folgendes Verwaltungsrecht. Die negative Legitimationswirkung erfasse die Anfechtungsbefugnis.

Der entscheidende Senat bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichtes dahingehend, dass die Beschlüsse über die Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrages sowie über die Ermächtigung zur Verfolgung von Ansprüchen gegen den Kläger und die Ablehnung von Beschlussanträgen des Klägers nichtig seien. Ferner stellte der BGH fest, dass die Bestätigung dieser Beschlüsse nichtig sei. Durch die mangelnde Antragsbefugnis des Klägers zur Anfechtung dieser Beschlüsse liege eine bestandskräftige Bestätigung der in der Versammlung von Oktober 2014 gefassten Gesellschafterbeschlüsse vor. Auch die Bestätigungen der Beschlüsse seien einer Anfechtung entzogen. Es stehe der Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses nicht entgegen, dass dieser nach Streichung des Klägers aus der Gesellschafterliste der Beklagten gefasst wurde. Der Kläger könne den Beschluss mangels Anfechtungsbefugnis nicht mehr erfolgreich angreifen. Es sei nicht erforderlich, dass der ausgeschiedenen Gesellschafter bei der Beschlussfassung beteiligt werde.

Kategorie: Gesellschaftsrecht / Handelsrecht, 05. Mai 2021



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