BGH: „Ewiges Widerspruchsrecht“ bei Lebens- und Rentenversicherungen nach dem „Policenmodell“

BGH: „Ewiges Widerspruchsrecht“ bei Lebens- und Rentenversicherungen nach dem „Policenmodell“


Der u. a. für das Versicherungsrecht zuständige IV. Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 07. Mai 2014 entschieden, dass die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F., wonach ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens 1 Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, auf Lebens- und Rentenversicherungen unanwendbar ist.

Der klagende Versicherungsnehmer begehrte u. a. Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus einer Rentenversicherung nach einem Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Er beantragte bei der beklagten Versicherung den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 01.12.1998. Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag im Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Am 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte  Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen.

Die Vorinstanzen hatten den Widerspruch des Klägers aufgrund der Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. jeweils als verfristet angesehen und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgte der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Nachdem der IV. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 28. März 2012 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt hatte, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung wie in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist, wurde diese Vorfrage vom EuGH als solche bejaht und die Vorschrift des § 5a Abs.2 Satz 4 VVG a. F. für Lebens- und Rentenversicherungsverträge für unanwendbar erklärt. Der BGH hatte sodann nur noch über die daraus resultierenden Rechtsfolgen zu entscheiden.

Der IV. Zivilsenat gewährte dem Kläger daraufhin einen Anspruch auf Rückzahlung sämtlicher von ihm an die Beklagte rechtsgrundlos geleisteter Zahlungen aus ungerechtfertigter Bereicherung. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Rentenversicherungsvertrag sei auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger rechtzeitig den Widerspruch erklärt habe. Jedenfalls habe die 14-tägige Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber dem Kläger nicht zu laufen begonnen, da der Kläger mit Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei. Der Höhe nach umfasse der Bereicherungsanspruch des Klägers jedoch nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet gewesen zu sein. Vielmehr müsse ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. Schließelich habe der Versicherungsnehmer während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Erlangter Versicherungsschutz sei aber in jedem Fall ein zu ersetzender Vermögensvorteil.

BGH, Urteil vom 07. Mai 2014 – IV ZR 76/11

Kategorie: Versicherungsrecht, 08. Mai 2014



zurück