BGH: Leistungsverweigerungsrecht eines Darlehensgebers trotz nicht ordnungsgemäßer Widerrufsinformation

BGH: Leistungsverweigerungsrecht eines Darlehensgebers trotz nicht ordnungsgemäßer Widerrufsinformation


Bundesgerichtshof (BGH)
BGH, Urteil vom 10.11.2020 – XI ZR 426/19

Der BGH hat entschieden, dass eine Widerrufsinformation fehlerhaft ist, wenn die nach den anwendbaren Gestaltungshinweisen zwingend vorgeschriebenen Unterüberschriften fehlen. Dies stellt kein lediglich unbeachtliches Redaktionsversehen dar, das unter Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB subsumiert werden kann. Dem Darlehensgeber steht bis zur Rückgabe des finanzierten Fahrzeuges oder eines erbrachten Nachweises, dass der Pkw verschickt wurde, ein Leistungsverweigerungsrecht gegen Rückzahlungsansprüche des Darlehensnehmers zu.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit eines Widerrufs einer auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Der Kläger erwarb im August 2014 einen gebrauchten Pkw zum Kaufpreis von 26.600 €. Es wurde eine Anzahlung von knapp 25.000 € geleistet. Zugleich wurde ein sog. Kaufpreisschutz i.H.v. rund 800 € abgeschlossen. Zur Finanzierung des über die Anzahlung hinausgehenden Kaufpreises und der Versicherungsprämie für den Kaufpreisschutz schlossen die Parteien am 07.08.2014 einen Darlehensvertrag über rund 2.500 €. Die Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 48 Monaten zu jeweils 58,07 € erbracht werden.

Als Sicherheiten räumte der Kläger der Beklagten das Eigentum an dem Fahrzeug ein. Ferner trat der Kläger der Beklagten Ansprüche auf Arbeitsentgelt und Versorgungsbezüge ab. Nach den allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten dienten die Sicherheiten zur „Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche des Darlehensgebers aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung gleich aus welchem Rechtsgrund.“

Mit Schreiben vom 09.08.2017 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Er verlangte die bereits geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen sowie die Anzahlung zurück. Ferner forderte er die Rückabtretung sämtlicher Sicherungsrechte.

Das Landgericht (LG) Stuttgart stellte antragsgemäß die Wirksamkeit des Widerrufs fest. Nach Auffassung des LG Stuttgart habe die Beklagte keine Rechte aus dem Darlehensverhältnis gegen den Kläger. Insbesondere habe der Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen. Die zur Sicherung dienenden abgetreten Ansprüche seien rückabzutreten.

Das Oberlandesandgericht (OLG) Stuttgart gab der Berufung des Beklagten statt. Der Kläger habe nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet gewesen, da die erteilte Widerrufsinformation nach den maßgeblichen Vorschriften des BGB und EGBGB inhaltlich nicht zu beanstanden seien und die ihm zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde die erforderlichen Pflichtangaben für den Widerruf nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. 

Der BGH wies die Revision des Klägers zurück. Zwar seien die Widerrufsinformation fehlerhaft gewesen, da sie eine Verweisung auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ enthielten. Eine solche Verweisung sei nicht hinreichend klar und verständlich und erfülle nicht die Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB.

Es komme auch keine Berufung auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB in Betracht. In der Widerrufsinformation der Beklagten fehlten entgegen den bei einem mit einem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nach § 358 BGB anwendbaren Gestaltungshinweisen 2 und 6 die beiden zwingend vorgeschriebenen Unterüberschriften „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ sowie die nach Gestaltungshinweis 6g zwingend vorgeschriebene Überschrift „Einwendungen bei verbundenen Verträgen“. Damit entspricht die Widerrufsinformation der Beklagten nicht den Voraussetzungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB. Das Fehlen der Unterüberschriften stellt auch kein unbeachtliches Redaktionsversehen dar, das unter Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB subsumiert werden könnte.

Der zuständige Senat stellte weiter fest, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückabtretung der zur Sicherheit abgetretenen Lohn- und Gehaltsansprüche zustehe. Diese dienen nach den allgemeinen Darlehensbedingungen auch zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten aus etwaigen Rückabwicklungen des Darlehensvertrags gleich aus welchem Rechtsgrund. Damit sei im Falle der Beachtlichkeit der Widerrufserklärung des Klägers auch der Sicherung des Anspruchs der Beklagten auf Wertersatz, den der Kläger noch nicht erfüllt habe, umfasst. Vorliegend sei der Sicherungszweck noch nicht entfallen.

 

Kategorie: Bank- und Kapitalmarktrecht, Widerruf Verbraucherdarlehen, 03. März 2021



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