BGH: Zum Umfang der bereicherungsrechtlichen Ansprüche nach Widerspruch eines Lebens- oder Rentenversicherungsvertrages

BGH: Zum Umfang der bereicherungsrechtlichen Ansprüche nach Widerspruch eines Lebens- oder Rentenversicherungsvertrages


Der u. a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 29. Juli 2015 erstmals zu Einzelheiten einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nach Widerspruch Stellung genommen.

Die klagenden Versicherungsnehmer hatten bei dem beklagten Versicherer im Jahr 1999 bzw. im Jahr 2003 fondsgebundene Renten- bzw. Lebensversicherungsverträge nach dem in § 5a VVG a.F. geregelten sogenannten Policenmodell abgeschlossen. Jahre später kündigten sie die Verträge und erklärten schließlich den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. Der Versicherer zahlte auf die Kündigungen hin den jeweiligen Rückkaufswert an die Kläger aus. Diese verlangten mit ihren Klagen Rückzahlung aller von ihnen geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der Rückkaufswerte.

Das Landgericht hatte die Klagen abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihnen teilweise stattgegeben. Es hatte angenommen, die Versicherungsnehmer hätten die Widersprüche wirksam erklärt und könnten dem Grunde nach Rückzahlung aller Prämien verlangen, müssten sich dabei aber den während der Dauer der Prämienzahlung genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Die Revisionen des beklagten Versicherers, der den Abzug weiterer Positionen von den Klageforderungen erstrebt, hatten im Wesentlichen keinen Erfolg.

Der IV. Zivilsenat hat bereits mit Urteil vom 7. Mai 2014 entschieden, dass Versicherungsnehmer bei der nach einem wirksamen Widerspruch durchzuführenden bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung ihrer Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien zurückverlangen können; vielmehr müssen sie sich den jedenfalls bis zur Kündigung des jeweiligen Vertrags genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Insofern hat der BGH das Berufungsurteil unangetastet gelassen. Lediglich in einem Punkt hat der Bundesgerichtshof einen weiteren Abzug für geboten gehalten. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, muss sich der Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem Rückkaufswert, den er bereits vom Versicherer erhalten hat, die Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag, die der Versicherer bei Auszahlung des Rückkaufswertes für den Versicherungsnehmer an das Finanzamt abgeführt hat, als Vermögensvorteil anrechnen lassen. Weitere Positionen waren nicht zu berücksichtigen. Dies betraf vorwiegend Abschluss- und Verwaltungskosten. Insoweit kann sich der Versicherer auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die Verwaltungskosten sind bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie unabhängig von den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen angefallen und beglichen worden sind. Hinsichtlich der Abschlusskosten gebietet es der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko trägt.

Die Bereicherungsansprüche der Kläger umfassen gemäß § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB auch die durch die Beklagte gezogenen Nutzungen. Allerdings seien nur die Nutzungen herauszugeben, die vom Bereicherungsschuldner tatsächlich gezogen worden sind. Eine diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast liege beim Versicherungsnehmer ohne dass sich dieser ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe, etwa in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, stützen könne. Über weitere Einzelfragen des Nutzungsersatzes hatte der Bundesgerichtshof in diesen Revisionsverfahren nicht zu entscheiden, da keine der Parteien Einwendungen gegen die Schätzung des Berufungsgerichts erhoben hat.

BGH, Urteil vom 29. Juli 2015 – IV ZR 384/14 und 448/14

(Pressemitteilung vom 29.07.2015, Nr. 131/2015)

Kategorie: Versicherungsrecht, 29. Juli 2015



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