Gesetzlicher Mindestlohn auch für entsandte ausländische Betreuungskräfte in Privathaushalten

Gesetzlicher Mindestlohn auch für entsandte ausländische Betreuungskräfte in Privathaushalten


Bundesarbeitsgericht (BAG)
Urteil vom 24.06.2021 – 5 AZR 505/20

Das BAG hat entschieden, dass nach Deutschland entsandten ausländischen Betreuungskräften ein Vergütungsanspruch für geleistete Arbeitsstunden in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes zusteht. Zu den geleisteten Arbeitsstunden gehört auch Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann vorliegen, wenn die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und zudem grundsätzlich dazu verpflichtet ist, zu jeder Tages- und Nachtzeit bei Bedarf Arbeit zu leisten.

Der Entscheidung des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist eine entsandte Betreuungskraft mit bulgarischer Staatsangehörigkeit. Sie hat im Rahmen einer „24-Stunden-Betreuung“ eine 90-jährige Frau 2015 in Deutschland gepflegt, bei der sie auch ein Zimmer bewohnte. Ihre Tätigkeit umfasste neben Haushaltsarbeiten auch die „Grundversorgung“ der 90-Jährigen. Hierzu musste auch zur Nachtzeit die Zimmertür der Klägerin offenstehen, um auf Rufe der Seniorin reagieren zu können. Grundlage war ein Dienstleistungsvertrag zwischen dem beklagten bulgarischen Unternehmen (Arbeitgeber der Klägerin) und der zu betreuenden Person. Von ihrem Arbeitgeber erhielt die Arbeitnehmerin lediglich einen Lohn für sechs Arbeitsstunden pro Kalendertag, was einem Nettoverdienst von 950,- Euro monatlich entsprach. In dem Arbeitsvertrag war eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden, das Wochenende als arbeitsfrei vereinbart. Sie verlangte nunmehr mit Unterstützung des Deutschen Gewerkschaftsbundes den Mindestlohn für 24 Stunden pro Kalendertag. Entsprechend für den siebenmonatigen Arbeitseinsatz der Klägerin verlangte sie die Zahlung von rund € 43.000,- brutto abzüglich erhaltener knapp € 7.000,- netto.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat der Klage überwiegend entsprochen, nahm jedoch eine tägliche Freizeit der Klägerin von drei Stunden an und sprach ihr entsprechend den gesetzlichen Mindestlohn für 21 Stunden pro Kalendertag zu.

Auf die Revision der Klägerin hin hob das BAG das Urteil des LAG  zwar wegen eines Rechtsfehlers in der Tatsachenwürdigung auf. In der Sache bestätigte der zuständige Senat jedoch, ein Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns für die gesamte Arbeitszeit bestehe. Das LAG habe zutreffend angenommen, dass die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns gemäß §§ 20, 1 MiLoG (Mindestlohngesetz) auch für ausländische Arbeitgeber gelte. Bei den vorbezeichneten Paragrafen handele es sich um Eingriffsnormen im Sinne des Artikel 9 Rom I-VO, welche unabhängig davon gelten, ob ansonsten deutsches oder ausländisches Recht Anwendung findet.

Nicht maßgebend für die Beurteilung der zu vergütenden Arbeitszeit sei, welche Anzahl an Arbeitsstunden arbeitsvertraglich vereinbart worden war. Vielmehr ist die praktische Realität entscheidend. Insoweit habe die Vorinstanz rechtsfehlerhaft eine dreistündige Freizeit der Klägerin ohne entsprechende nachvollziehbare Anhaltspunkte angenommen.

Der zuständige Senat wies die Klage an das LAG zurück. Es sei weiter aufzuklären, in welchem Umfang die Klägerin in Vollarbeit und/oder Bereitschaftsdienst tätig war. Auch Bereitschaftsdienst ist – anders als Rufbereitschaft – mit dem vollen Mindestlohn zu vergüten.

Anmerkung: In dem Rechtsstreit hatte keine der Parteien vorgebracht, dass der Pflegemindestlohn gemäß der damals geltenden zweiten Pflegearbeitsbedingungenverordnung einschlägig ist. 

 

Kategorie: Arbeitsrecht, 25. Juni 2021



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