Keine Haftung der Bank bei Verlustmeldung einer EC-Karte 30 Minuten nach Abhandenkommen

Keine Haftung der Bank bei Verlustmeldung einer EC-Karte 30 Minuten nach Abhandenkommen


Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main
Urteil vom 31.08.2021 – 32 C 6169/20 (88)

Das AG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass die Haftung einer Bank für Geldabhebungen nach dem Verlust einer Debitkarte ausgeschlossen ist, soweit ein Verschulden des Karteninhabers bei der Verwahrung der PIN nicht ausgeschlossen ist und/oder eine sofortige Sperrung der Karte nach Feststellung des Verlustes unterbleibt.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin unterhält bei der beklagten Bank ein Girokonto. Für das Konto wurde der Klägerin eine Debitkarte ausgestellt. Die Parteien vereinbarten die von der Beklagten aufgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Am 11.11.2019 kam es um 10:15 Uhr und 10:16 Uhr an einem Geldautomaten einer dritten Bank zu zwei Barauszahlungen von dem Konto der Klägerin in Höhe von jeweils 500,- €. Die Klägerin meldete der Beklagten am Ereignistag um 10:42 Uhr den Verlust ihrer Karte und beantragte zugleich deren Sperrung. In einer schriftlichen Verlustmeldung vom 19.11.2019 gab die Klägerin an, den Verlust gegen 10:10 Uhr bemerkt zu haben. Die Klägerin forderte die Beklagte außergerichtlich durch ihre Prozessbevollmächtigten fruchtlos zur Erstattung der ausgezahlten Beträge auf.

In dem Verfahren vor dem AG Frankfurt a.M. behauptete die Klägerin, dass sie ihr Portemonnaie mit der Debitkarte am Ereignistag aus ihrer Handtasche verloren habe oder dass ihr dieses hieraus entwendet wurde. Den Verlust habe sie nunmehr gegen 10:30 Uhr bemerkt und daraufhin die Beklagte unverzüglich kontaktiert. Ihre PIN habe sie nicht bei der Karte notiert gehabt; sie sei ausgespäht worden. Auch habe außer ihr niemand autorisierten Zugriff auf die entsprechende Karte gehabt. Die Klägerin ist der Auffassung, die Umstände der Abhebungen hätten jedenfalls beim Versuch der zweiten Abhebung bei der Beklagten eine Sicherheitswarnung auslösen müssen.

Die Beklagte gab an, die streitgegenständlichen Abhebungen seien ausweislich der Transaktionsprotokolle mit der Originalkarte erfolgt. Insoweit handele es sich um einen Sorgfaltspflichtverstoß seitens der Klägerin. Die Verschlüsselungsverfahren verwende sie nach dem Stand der Technik und die PIN seien nicht aus der Karte auszulesen. Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe den Verlust ihrer Karte nicht unverzüglich angezeigt. Die streitgegenständlichen Abhebungen hätten im Fall einer unverzüglichen Anzeige verhindert werden können. Mit den sich hieraus ergebenden Schadensersatzansprüchen der Beklagten gegen die Klägerin rechnet die Beklagte vorsorglich auf.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung der zwei entsprechenden Kontoauszahlungen in Anspruch. Ohne Erfolg.

Das AG Frankfurt a.M. führte aus, die Klägerin könne weder aus § 675u Satz 2 BGB, noch aus § 280 Absatz 1 BGB jeweils in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Zahlungsdienstrahmenvertrag Erstattung oder Wiedergutschrift der streitgegenständlichen Barauszahlungen von der Beklagten verlangen. Nachdem die Abhebungen ausweislich der Transaktionsprotokolle mit der Originalkarte und PIN erfolgten, sei der mögliche Verstoß der Klägerin gegen die ihrigen Obliegenheiten -die PIN getrennt von der Karte zu verwahren- nicht widerlegt und gelte gemäß § 138 Absatz 3 ZPO als zugestanden. Auf dieser Tatsachengrundlage spreche ein Anscheinsbeweis -wie von der Beklagten zutreffend angeführt- dafür, dass die Klägerin pflichtwidrig entgegen der zwischen den Parteien vereinbarten AGB und § 675I Absatz 1 Satz 1 BGB die PIN gemeinsam mit der Karte verwahrt habe.

Zugleich sei der Klägerin ein -den Erstattungsanspruch ausschließender- Sorgfaltsverstoß deshalb anzulasten, weil sie ausweislich ihrer schriftlichen Verlustanzeige den Verlust bereits vor den streitgegenständlichen Abhebungen bemerkt habe und trotz eines mitgeführten Mobiltelefons nicht umgehend gegenüber der Beklagten gemeldet habe. Ein erst zeitlich nach den Abhebungen erfolgtes Bemerken des Verlustes der Klägerin in Ansehung ihrer eigenen Angaben in der vorgerichtlichen Verlustanzeige habe die Klägerin nicht nachvollziehbar vorgetragen. Es liege insoweit insgesamt hinsichtlich der streitgegenständlichen Abhebungen kein Verschulden der Beklagten, jedoch ein zweifacher Sorgfaltsverstoß der Klägerin vor. Die Klägerin habe den ihr durch die Abhebungen entstandenen Schaden in vollem Umfang selbst zu tragen.

Kategorie: Bank- und Kapitalmarktrecht, 20. Oktober 2021



zurück