OLG Dresden zur Bestimmung eines Referenzzinsatzes bei einer Zinsanpassung „S-Prämiensparen flexibel“

OLG Dresden zur Bestimmung eines Referenzzinsatzes bei einer Zinsanpassung „S-Prämiensparen flexibel“


Oberlandesgericht (OLG) Dresden, Urteil vom 13.04.2022 – 5U 1973/20

Das OLG Dresden hat entschieden, dass für die Berechnung eines Änderungszinses als Referenzzins nicht die Zinsreihe für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe mit zehn Jahre gleitendem Durchschnitt und einem relativen Zinsabstand zugrunde zu legen ist, sondern sich die Verzinsung an den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten monatlichen Ist-Zinssätzen für börsennotierte Bundeswertpapiere mit acht- bis 15-jähriger Restlaufzeit zu orientieren hat.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger schloss 1994 mit der beklagten Sparkasse (Beklagte) einen Sparvertrag, der mit „S-Prämiensparen flexibel“ bezeichnet war und von dem Kläger mit monatlichen Raten bespart wurde. Der Vertrag sah eine variable (anfänglich mit 4,75 % p.a.) Verzinsung der Einlagen und eine zusätzliche Prämienzahlung der Beklagten ab dem dritten Sparjahr Prämie gemäß einer festgelegten Prämienstaffel auf die Einlagen des abgelaufenen Jahres vor. Während der Vertragslaufzeit senkte die Beklagte den variablen Zinssatz sukzessive ab.

Nach Vertragsende forderte der Kläger – wegen der aus seiner Sicht zu Unrecht erfolgten Zinssenkungen – im Klagewege die Nachzahlung weiterer Zinsen. Als Referenzzins seiner Berechnung legte er die Zinsreihe für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe mit zehn Jahre gleitendem Durchschnitt und einem relativen Zinsabstand zugrunde.

Das vorinstanzliche Landgericht (LG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Mit (teilweisem) Erfolg!

Aus Sicht des zuständigen 5. Zivilsenats des OLG Dresden ist die Vertragsklausel, die die Festlegung der variablen Verzinsung der Beklagten durch Aushang im Kassenraum überlässt, wegen mangelnder Transparenz im Wege einer Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam. Die dadurch entstandene „Vertragslücke“ sei durch Rückgriff auf einen Referenzzins zu schließen. Den von der Klägerseite begehrten Referenzzins (Zinsreihe der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank, siehe oben) lehnte das OLG jedoch als Referenzzinssatz ab.

Als solcher sei – sachverständig beraten – im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Basis eines verobjektivierten Parteiwillens die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten  monatlichen Ist-Zinssätzen für börsennotierte Bundeswertpapiere mit acht- bis 15-jähriger Restlaufzeit zugrunde zu legen. Diese Zinsreihe spiegele den langfristigen Charakter der Verträge wieder, beruhe auf der Grundlage mehrerer Jahre, novelliere Ausreißereffekte, komme zudem der typisierten Sparzeit von 15 Jahren am nächsten und lasse dennoch Spielräum für Liquiditätsaspekte. Bundeswertpapiere weisen eine hohe Liquidität ohne nennenswerte implizite und explizite Kosten auf und spiegelten den sog. „risikolosen Zins“ wieder, was die bei Vertragsschluss geltende Gewährträgerhaftung berücksichtige. Demgegenüber enthielten Anleihezinsen für Hypothekenpfandbriefe trotz der Besicherung einen Risikoaufschlag, was als Referenz unangemessen erscheine, da die Sparkasse zusätzlich zum variablen Zins eine feste Prämie schulde.

Gegen die Zugrundelegung gleitender Durchschnitte von Referenzzinsen bzw. die Heranziehung von bereits als gleitende Durchschnitte ausgewiesenen Zinsreihen spreche grundsätzlich, dass die Heranziehung derart vergangener Zinssätze einer Abbildung der variablen Verzinsung in einer Festzinsposition gleichkäme. Der Sparvertrag verspreche aber einen Festzins in Form einer Prämie und daneben einen flexiblen, an die geänderte Marktlage angepassten variablen Zins. Bei der konkreten Zinsberechnung sei weiter der relative Abstand zwischen dem anfänglichen Zins und dem Referenzzins zu berücksichtigen (sog. Verhältnismethode), da sich der Vertragszins bei sinkendem Zinsniveau langsamer der Null-Linie annähre als bei der Differenzmethode.

Mit der Ablehnung der klägerischen Berechnungsweise des Änderungszinses seien die Nachzahlungen erheblich zu mindern.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: Medienformation des Medienservice Sachsen vom 13.04.2022

Kategorie: Bank- und Kapitalmarktrecht, 23. Mai 2022



zurück