UPDATE- Betriebsschließungsversicherung- Angebot der Versicherer akzeptabel?

UPDATE- Betriebsschließungsversicherung- Angebot der Versicherer akzeptabel?


Uns erreichen im Mandantenkreis zurzeit mehrere Anfragen, ob abgeschlossene Betriebsschließungsversicherungen in der Corona-Pandemie nicht greifen. Die Versicherungsgeber würden keine Schadensregulierung vornehmen, vielmehr wird den Versicherungsnehmern eine pauschale Regulierung von 10 – 15 % der vereinbarten Tagessätze angeboten.

Das teilweise Regulierungsangebot wird damit begründet, dass die Betriebsschließungsversicherungen die aktuelle Corona-Pandemie nicht umfassen. Insoweit will man in Bayern erzielte Vereinbarungen auf alle Konstellationen übertragen.

Zum einen sei das Corona-Virus nicht von den Versicherungen gedeckt und zum anderen läge in den Allgemeinverfügungen, welche die Betriebsschließungen regeln, keine behördliche Anordnung im Sinne der einzelnen Versicherungspolicen. Weiter führen die Versicherungsgeber an, dass die Leistungspflicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Entschädigungen entfällt.

Aus unserer Sicht sind die Angebote der Versicherer aus den nachfolgenden Gründen nicht akzeptabel.

 

1. Allgemeinverfügung als behördliche Anordnung

Nach unserer Ansicht stellen Allgemeinverfügungen über die Betriebsschließungen -entegen der Aufassung vieler Versicherer- behördliche Anordnungen dar.

Die Allgemeinverfügungen der Länder und Kommunen, welche die Schließung von Betrieben wegen der Corona-Pandemie anordnen, regeln einen bestimmten Sachverhalt für eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen. Somit wird nicht eine Einzelfallentscheidung für jeden einzelnen Betrieb getroffen, sondern durch eine behördliche Regelung alle gleichgelagerten Fälle entschieden.

Nach § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ist eine Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft. Ein Verwaltungsakt gemäß § 35 Satz 1 VwVfG ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

Im Falle der flächendeckenden Betriebsschließungen wegen der Corona-Pandemie stellt die Allgemeinverfügung somit eine behördliche Regelung im Sinne der Versicherungspolicen dar.

 

2. Versicherungsfall „Corona-Virus“

Nach unserer Auffassung liegt bezüglich des Corona-Virus grundsätzlich ein Versicherungsfall vor.

Ob das Corona-Virus von den einzelnen Betriebsschließungsversicherungen gedeckt ist, hängt jedoch von den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ab.

In vielen AVB findet sich folgende Klausel:

„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz (IfSG) in §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:“

Es folgt oft eine Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses im Infektionsschutzgesetz aufgeführt waren. In den AVB wird aber kein Stand des Infektionsgesetzes erfasst. Somit liegt nach unserer Meinung eine allgemeine Verweisung auf die im Versicherungsfall gültige Fassung des Infektionsschutzgesetzes vor.

Demnach kann der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass auch Änderungen in §§ 6, 7 IfSG von der Versicherung umfasst sind.

Das Corona-Virus wird seit dem 30.01.2020 namentlich in §§ 6, 7 IfSG genannt, so dass nach unserer Ansicht ein Versicherungsfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt.

Anzumerken ist, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen am Maßstab eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers auszulegen sind. Es wird nicht verlangt, dass der Versicherungsnehmer besondere Kenntnisse über das Versicherungsrecht hat. Wir sind der Auffassung, dass der einzelne Versicherungsnehmer davon ausgehen kann, dass auch bisher unbekannte Krankheiten von der Versicherung gedeckt werden. Somit ist das Corona-Virus von den meisten Betriebsschließungsversicherungen umfasst.

 

3. Schadensminderung durch staatliche Leistungen

Wir sind der Ansicht, dass keine Anrechnung von schadensmindernden Leistungen des Staates wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfen des Bundes und der Länder auf die Versicherungsleistung erfolgen muss oder diese die Versicherungsleistung ausschließen.

Zwar regeln einige Versicherungspolicen, dass eine Entschädigungspflicht des Versicherungsgebers ausscheidet, wenn dem Versicherungsnehmer ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch zusteht. Es erfolgt aber keine Auflistung, was ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch ist.

Nach unserer Auffassung sind öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche nur die Ansprüche, die der einzelne Bürger gegen den Staat hat, wenn ein Schaden durch den Staat verursacht wurde.

Die schadensmindernden Leistungen des Staates stellen daher keine öffentlich-rechtlichen Entschädigungsansprüche dar. Das Kurzarbeitergeld und die Soforthilfen sollen keine Schäden regulieren, die durch ein Handeln des Staates verursacht wurden, sondern sollen den Bestand der einzelnen Betriebe schützen.

Zudem ist beachtlich, dass die Leistungspflicht des Versicherungsgebers als versichertes Risiko die ersten 30 Tage der Betriebsschließung umfasst. Wenn in dem Risikozeitraum eine vollständige Schließung des Betriebes erfolgt, muss folglich auch eine Regulierung durch den Versicherungsgeber erfolgen, ohne dass eine Leistungskürzung durch den Versicherungsgeber erfolgt.

 

4. Handlungsempfehlung

Die Versicherungen nutzen offensichtlich die wirtschaftliche Not vieler Betriebe , um durch die Verzögerung den wirtschaftlichen Druck auf die sowieso notleidenden Betriebe auszunutzen. Die Versicherungen gehen aber auch ein rechtlich und wirtschaftlich hohes Risiko ein. Sollte es wegen der  Weigerung  der Versicherung, die Versicherungssumme vollständig auszuzahlen, zur Insolvenz eines Betriebes kommen, haftet die Versicherung unter Umständen in voller Höhe für die infolge der Verweigerung entstehenden weiteren Schäden.

Auch Versicherungsnehmer sollten im Blick haben, dass die Annahme eines solch nachteiligen Angebotes erhebliche Nachteile im Falle einer Insolvenz mit sich bringen kann

Im Falle der Annahme des Angebotes der Versicherung kann später im Falle der Insolvenz dies als Gläubigerbenachteiligung durch den Insolvenzverwalter gewertet und daher angefochten werden. Zudem könnte die Geschäftsführung in die Haftung genommen werden.

Es empfiehlt sich daher dringend, einen Anwalt hinzuzuziehen, um mögliche Haftungsszenarien zu vermeiden. Darüber hinaus besteht alternativ die Möglichkeit, die vertragsgerechte Versicherungssumme notfalls einzuklagen. Hierfür haben sich schon erste Prozessfinanzierungsgesellschaften bereit erklärt. Unsere Kanzlei begleitet Sie gerne auch bei solchen Prozessfinanzierungsanfragen.

Kategorie: Corona Aktuelle, Versicherungsrecht, 16. April 2020



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